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Vorgeschichte

Vom 8. bis 10. März 2024 trafen sich im südhessischen Lorsch über 125 Rinderexperten, Bauern, Wissenschaftler, Historiker, Archäologen, Museumsfachleute und Ingenieure aus 21 Ländern zum ersten World Draft Cattle Symposium. Initiator war das Freilichtlabor Lauresham, das sich als museale Einrichtung und durch verschiedene Drittmittelprojekte sowohl historisch als auch praktisch sowie in modernem Kontext seit über zehn Jahren intensiv mit dem Thema Rinderanspannung auseinandersetzt. Bereits 2021 hatte die Einrichtung zu einem Weltkongress namens „Draft Animals in the Past, Present and Future“ eingeladen, welcher damals pandemiebedingt digital durchgeführt wurde und an dem über 500 Menschen teilnahmen. Im Rahmen der damals stattgefundenen vergleichenden Betrachtung verschiedener Zugtiere wurde sehr deutlich, dass – auch wenn die Bedeutung der Rinderanspannung im globalen Kontext immer noch sehr hoch ist – diese im Vergleich zu anderen Zugtieren in der öffentlichen Diskussion kaum Beachtung finden. Wie kein anderes Zugtier wird es von politischen Entscheidungsträgern, den Agrarlobbys und auch von vielen Laien als Teil eines Narrativs einer primitiven Vergangenheit verstanden, den es mit „moderneren“ Arbeitsmethoden zu überwinden gilt. Dementsprechend sehen sich in vielen Ländern Rinderanspannende vor dem Problem, öffentlich als rückständig denunziert zu werden – und dies obwohl es so viele positive Beispiele auch aus der sog. Westlichen Welt gibt, in denen Zugrinder als Teil ökologischer Betriebe in der Landwirtschaft, im Weinbau oder auch im Forst eingesetzt werden können.

Dieses Problem zu adressieren und zugleich unterschiedliche Interessensvertreter und Fachrichtungen erstmals an einen Tisch zu bringen, war von vorneherein die Hauptintention des Symposiums. So kam es dann, dass die drei Konferenztage vor allem eine enorm wichtige Netzwerkplattform entstehen ließen und zugleich eine ganz besondere Atmosphäre des Lernens und Lehrens voneinader – und zwar in einer globalen Perspektive. Neben Fachvorträgen zur Geschichte und Archäologie, Sachstandsberichten aus der ganzen Welt sowie Impulsreferaten zu neuen Innovationen gab es vor allem praktische Vorführungen zu unterschiedlichen Anspannungsweisen, zu Geräten und zur Ausbildung und dem Verhalten von Zugrindern. Mehrfach war von den Konferenzteilnehmenden zu hören, dass sie sich in einer größer als ursprünglich gedachten Gemeinschaft wiedergefunden hätten, die den besonderen Bezug zu Rindern als Arbeitstieren in den Mittelpunkt stellen würde. Es wurde erkannt, dass jedes Land eigene, ganz spezifische Probleme und Herausforderungen zu bewältigen hat und dass die Diskussion um die Bedeutung von Zugrindern im 21. Jahrhundert nur vorangetrieben werden könne, wenn möglichst viel Wissen akkumuliert und kontextualisiert würde. Als ein zentrales Resultat der Veranstaltung wurde deshalb ein internationales Zentrum für Zugrinderforschung und -ausbildung gegründet, welches es sich zur Aufgabe machen soll, die gemeinsamen Bestrebungen zu bündeln und eine internationale Plattform des fachlichen Austauschs zu kreieren. Zugleich sollen wichtige Forschungsimpulse vom Zentrum ausgehen, um dabei zu helfen, auch in Fachkreisen die mögliche Rolle von Zugrindern in den Diskussionen um Nachhaltigkeit und innovative, ressourcenschonende Arbeitsmethoden zu stärken. Es gilt neue Wege zu gehen und die politischen Entscheidungsträger sachlich und fachlich umfassend über die Potentiale und Grenzen der Rinderanspannung zu informieren.

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